Andreas Sturm MdL

Auswertung des Projektes „Intelligente Videoüberwachung“ in Mannheim

Landtag von Baden-Württemberg: Kleine Anfrage der beiden CDU-Landtagsabgeordneten Ansgar Mayr und Andreas Sturm

Mannheim / Stuttgart. Die "Intelligente Videoüberwachung" in Mannheim stand im Fokus einer sieben Fragen umfassenden "Kleinen Anfrage", mit welcher sich die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Ansgar Mayr (Wahlkreis Bretten) und Andreas Sturm (Wahlkreis Schwetzingen) Anfang Juli an die baden-württembergische Landesregierung gewandt hatten.

Als Begründung ihrer Anfrage führten die CDU-Politiker aus: "Die Stadt Mannheim hat mit dem Pilotprojekt zur intelligenten, algorithmenbasierten Videoüberwachung einen neuen Weg eingeschlagen, um Straßenkriminalität im öffentlichen Raum besser bekämpfen zu können und Straftaten zu verhindern. Ziel ist, dass Computer bestimmte Verhaltensmuster, die auf Straftaten hindeuten - etwa Schlagen oder Treten - automatisch erkennen und die Polizeibeamten im Führungs- und Lagezentrum darauf hinweisen. Die Polizeibeamten dort können dann gezielt auf diese Situationen schauen und entscheiden, ob eine Intervention erforderlich ist und sie Kollegen zum Ort des Geschehens schicken. Mit dieser Anfrage soll geklärt werden, wie sich diese neue Technologie bisher bewährt hat."

Archivfoto (11/2021): Andreas Sturm MdL im Gespräch auf dem Polizeipräsidium Mannheim. (Foto: Busse)Archivfoto (11/2021): Andreas Sturm MdL im Gespräch auf dem Polizeipräsidium Mannheim. (Foto: Busse)

Sturm, der für die CDU-Landtagsfraktion auch den Wahlkreis Mannheim mitbetreut, und Mayr wollten daher wissen:

  • 1. Welche Erfahrungen konnten mit dem nun seit über drei Jahren laufenden Projekt „Intelligente Videoüberwachung“ in Mannheim gemacht werden?
  • 2. Wie viele polizeilich relevante Vorgänge konnten im Zeitraum seit dem Start des Projekts im Monatsverlauf und insgesamt automatisch erkannt werden?
  • 3. Wie ist die Eintreffzeit der Polizei nach Feststellung eines polizeilich relevanten Vorgangs?
  • 4. Sind ihr weitere Pilotprojekte dieser Art in anderen Städten, auch außerhalb von Baden-Württemberg bekannt?
  • 5. Worin liegt die Besonderheit des Mannheimer Projektes im Vergleich zu anderen Projekten?
  • 6. Welche Rückmeldungen aus der Bevölkerung Mannheims sind ihr bekannt, die diese Art der anonymisierten Videoüberwachung ablehnt bzw. begrüßt?
  • 7. Wie wird dem Datenschutz im Mannheimer Projekt Rechnung getragen?

Am heutigen Freitag (29. Juli 2022) ging Mayr und Sturm die Antwort des Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen auf ihre „Kleine Anfrage“, Innenminister Thomas Strobl führte hierbei zu den Fragen 1 und 4 wie folgt aus:

„Die Polizei Baden-Württemberg hat mit dem seit 2018 andauernden Pilotprojekt `Intelligente Videoüberwachung´ durchweg positive Erfahrungen gewonnen. Das Beispiel Mannheim hat gezeigt, dass Videoüberwachung grundsätzlich einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Kriminalität an sogenannten Kriminalitätsbrennpunkten entfaltet und zur Erhöhung der Sicherheit im Öffentlichen Raum beiträgt. Als Weiterentwicklung der klassischen Videoüberwachung dient die intelligente Komponente dem Ziel, Videoüberwachung im Öffentlichen Raum ressourcen- und grundrechtsschonend durchführen zu können. Kernelement der Weiterentwicklung bildet eine auf künstlicher Intelligenz beruhende Experimentalsoftware, welche in einer Projektpartnerschaft mit dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) mit Sitz in Karlsruhe entwickelt wird. Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich nach wie vor um ein, zumindest europaweit, einzigartiges Pilotprojekt, welches im Fokus von Wissenschaft und Sicherheitsbehörden steht. Weitere Pilotprojekte im Zusammenhang mit intelligenter Videoüberwachung sind nicht bekannt. Das taktische Konzept der `intelligenten Videoüberwachung Mannheim´ besteht aus drei Komponenten: der Aufzeichnung, der Echtzeitbeobachtung sowie der Echtzeitintervention (sogenannter „Mannheimer Weg“). Parallel zur klassischen Aufzeichnung (Speicherfrist von 72 Stunden) und der damit verbundenen Möglichkeit einer retrograden Auswertung für Ermittlungsverfahren überwachen Polizeibeamte/-innen die ins Führungs- und Lagezentrum übertragenen Kamerabilder in Echtzeit und initiieren eine sofortige Intervention beim (zunehmend softwareunterstützten) Detektieren polizeilich relevanter Verhaltensmuster. In der konkreten Anwendung bedeutet dies einen deutlichen Anstieg der Sicherheit im Öffentlichen Raum. So konnte die Videoüberwachungstechnik in Mannheim schon vielfach dazu beitragen, sich anbahnende körperliche Auseinandersetzungen vor dem Auftreten delinquenten Verhaltens zu unterbinden. Beispielhaft sei hierzu ein Vorfall im Juni 2022 angeführt, bei welchem sich eine männliche Person auf dem Alten Messplatz in Mannheim wiederholt äußerst aggressiv gegenüber Passanten verhielt. Dies wurde von den Videobeobachtern wahrgenommen, wonach unverzüglich die Entsendung von Interventionskräften veranlasst wurde, die nach nur 1:38 Minuten vor Ort einschreiten konnten. Aber auch strafbare Handlungen konnten mit Hilfe der Videoüberwachungstechnik aufgeklärt werden, wie z.B. die Brandlegung an einem Corona-Testzentrum am Paradeplatz in Mannheim im Oktober 2021. Die Beschuldigten konnten der Tat überführt sowie die Vor- und Nachtatphase nachvollzogen werden. Nicht zuletzt ist sie auch ein Baustein für schnelle Hilfeleistungen bei medizinischen Notfällen. So konnten in der Vergangenheit bereits mehrfach Rettungskräfte frühzeitig alarmiert werden. Die Erfahrungen sind daher ausnahmslos positiv zu bewerten. Im Ergebnis hat sich die Videoüberwachung in Mannheim bewährt. Der Einsatz der intelligenten Videoüberwachung wird nach Abschluss des Pilotprojekts in Mannheim umfassend evaluiert werden.“

Zu Frage 2 („Wie viele polizeilich relevante Vorgänge konnten im Zeitraum seit dem Start des Projekts im Monatsverlauf und insgesamt automatisch erkannt werden?):

„Das Projekt `Intelligente Videoüberwachung Mannheim´ ist zunächst auf fünf Jahre ausgelegt. Eine bereits existierende Experimentalsoftware des IOSB wird für den Einsatz im Öffentlichen Raum nach präventivpolizeilichen Vorgaben weiterentwickelt. In einem ersten Schritt wurde die Objekterkennung und Personendetektion implementiert, da diese eine elementare Grundlage für alle weiteren Entwicklungsschritte (intelligente Aktivitätserkennung) darstellt. Zwischenzeitlich sind die Ergebnisse des Personendetektors als sehr zuverlässig einzustufen. Im nächsten Schritt schätzt der sogenannte `Posenschätzer´ die Posen der im Bild detektierten Personen ein und versieht diese mit einem elektronischen Skelett. Im letzten Schritt analysiert die Aktivitätserkennung die geschätzten Posen und berechnet daraus eine Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines polizeilich relevanten Sachverhalts. Zum heutigen Zeitpunkt hat die eingesetzte Softwarebasis des IOSB noch keine finale Anwendungsreife, das Projekt befindet sich weiter in der Entwicklung. Ausgewählte Kameras sind jedoch bereits an die intelligente Aktivitätserkennung angebunden. Die Alarme werden im Hintergrund generiert, ausgewertet und dem Videobeobachter angezeigt. Die dadurch gewonnenen Erfahrungen stellen die Grundlage für die weitere Entwicklung dar und sind bislang positiv zu bewerten. Eine Aussage zur Anzahl der bislang `intelligent´ erkannten Vorgänge ist in dieser Projektphase noch nicht möglich.“

Zu Frage 3 („Wie ist die Eintreffzeit der Polizei nach Feststellung eines polizeilich relevanten Vorgangs?“):

„Im Zeitraum Januar 2019 bis Dezember 2021 erfolgte bei insgesamt 2.627 polizeilich relevanten Sachverhalten (davon 719 Straftaten) eine sofortige Intervention durch die `Interventionskräfte´ des Polizeipräsidiums Mannheim. Hierbei wurde eine durchschnittliche Interventionszeit von 2:20 Minuten bei Straftaten und 2:56 Minuten bei sonstigen Sachverhalten (Ordnungswidrigkeiten, Gefahrenabwehr, Hilfeleistungen, sonstige Gründe) erreicht. Das Ziel der `Echtzeitintervention´ konnte damit bislang in vollem Umfang erreicht werden.“

Zu Frage 5 („Worin liegt die Besonderheit des Mannheimer Projektes im Vergleich zu anderen Projekten?“):

"Während sich andere Projekte unter anderem mit dem Perimeterschutz von definierten Bereichen bzw. der Wiedererkennung von Personen anhand von biometrischen Merkmalen (sogenannte Gesichtserkennung) beschäftigen, liegt der Schwerpunkt des Projekts `intelligente Videoüberwachung´ in der Erkennung polizeilich relevanter Verhaltensmuster durch das softwarebasierte Analysieren menschlicher Verhaltensweisen sowie die Berechnung einer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines polizeilich relevanten Sachverhalts. Die Fähigkeiten der Experimentalsoftware des IOSB wurden jüngst in einer externen wissenschaftlichen Betrachtung untersucht. Die Autoren kamen zum Ergebnis, dass der in Mannheim zum Einsatz kommende sog. Top-Down-Posenschätzer des IOSB den aktuellen Stand der Wissenschaft übertrifft.“

Zu Frage 6 („Welche Rückmeldungen aus der Bevölkerung Mannheims sind ihr bekannt, die diese Art der anonymisierten Videoüberwachung ablehnt bzw. begrüßt?“)

„Das Projekt `intelligente Videoüberwachung Mannheim´ wird von den Bewohnern der Stadt Mannheim überwiegend befürwortet, was eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Stadt Mannheim aus dem Jahr 2020 belegt. 17 Prozent der Einwohner Mannheims fühlen sich aufgrund der Videoüberwachung deutlich sicherer, 34 Prozent fühlen sich etwas sicherer. Insgesamt wurde der Einsatz von Videoüberwachung im Öffentlichen Raum in Mannheim mit einem Durchschnitt von 2,3 mit der Schulnote „gut“, bewertet. Weiter gaben 94 Prozent der Befragten an, dass sie die geschützten Bereiche nicht meiden und 95 Prozent schränken ihr Verhalten dort nicht ein.“

Zu Frage 7 („Wie wird dem Datenschutz im Mannheimer Projekt Rechnung getragen?“):

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) wurde kontinuierlich und von Beginn an in die Planungen des Projekts einbezogen. Die Erstellung der jeweiligen Konzepte wurde in enger Abstimmung mit dessen Behörde erstellt. Im Rahmen einer Vor-Ort-Besichtigung am 4. November 2019 konnten seitens des LfDI keine datenschutzrechtlichen Unregelmäßigkeiten festgestellt werden. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Videoüberwachung (konventionell und intelligent) sind in §§ 44 Abs. 3 und 4 des Polizeigesetzes (PolG) geregelt. Höchstpersönliche Bereiche wurden im Vorfeld identifiziert und durch technische Vorkehrungen (Verpixelung) von der Videoüberwachung ausgeschlossen. Bei Versammlungslagen wird die Videoüberwachung temporär deaktiviert (Demoschaltung). Um den hohen datenschutzrechtlichen Voraussetzungen an eine Videoüberwachung Rechnung zu tragen, wurden unterschiedliche Benutzergruppen und differenzierte Rollen bzw. Zugriffsrechte in der Videomanagementsoftware eingerichtet. Hierdurch ist gewährleistet, dass nur befugte Personen Daten einsehen, kopieren, ändern oder löschen können. Der Umgang mit Videoaufnahmen erfolgt nach einem abgestuften Rechtekonzept durch mindestens zwei Benutzergruppen (sogenanntes Vier-Augen-Prinzip). Jeder Zugriff auf das System wird automatisiert in einer Protokollierungsdatei erfasst und grundsätzlich zwölf Monate gespeichert. Die Bildaufzeichnungen sind unverzüglich, spätestens jedoch nach vier Wochen zu löschen. Nur wenn die Erforderlichkeit der Speicherung der Videodaten für die Verfolgung von Straftaten oder von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung bejaht wird, erfolgt eine weitere Speicherung, § 44 Abs. 10 S. 2 PolG. Hierzu werden die Daten unverzüglich auf einem externen Datenträger gesichert und anschließend automatisiert aus dem System gelöscht. Die Übergabe des externen Datenträgers an den Sachbearbeiter des Ordnungswidrigkeiten-/Strafverfahrens wird dokumentiert. Die Kriminalitätsentwicklung der videogeschützten Bereiche wird jährlich ausgewertet und in einem Evaluationsbericht zusammengefasst, der dem LfDI ebenfalls zur Verfügung gestellt wird.“

"Mit ganz wenigen Ausnahmen, die aber auch nur ideologisch motiviert sind, wird die Videoüberwachung nach dem `Mannheimer Modell´ von den Verantwortlichen in der Stadt als Erfolg gewertet, vor allem weil die Bürgerinnen und Bürger sich dadurch deutlich sicherer fühlen", so der CDU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat von Mannheim Claudius Kranz.

Landtagsabgeordneter Andreas Sturm: "Videoüberwachung ist ein wichtiger Bestandteil der Kriminalprävention und der Strafverfolgung. Durch die intelligente Videoüberwachung können Ressourcen geschont werden bei gleichzeitiger Echtzeitintervention mit guten Ergebnissen. Diese Art der intelligenten Überwachung ist Vorbild für Kriminalitätsschweepunkte im ganzen Land.
"

"Von vielen in ihrem Nutzen in Zweifel gezogen, wird nunmehr mit Fakten unterlegt, dass die Videoüberwachung nach dem `Mannheimer Modell´ Straftaten aktiv verhindert und der Polizei ermöglicht, in kürzester Zeit einzugreifen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist vorhanden", stellt Christian Hötting, Kreisvorsitzender der CDU Mannheim, fest.