Andreas Sturm MdL

„Manche Medikamente importieren wir aus der Ukraine“

Oftersheim: Sturm MdL mit CDU-Mitgliedern im Dialog mit Dr. Tobias Ober von der Mozart-Apotheke / Apothekensterben geht weiter / Scharfe Kritik an Lauterbach: „Sollte sich besser sich besser um Apotheken als um Freigabe von Cannabis kümmern!"

Oftersheim. Am 14. Juni 2023 beteiligten sich fast 90 Prozent der Apotheken an dem ersten bundesweiten Apothekenstreik, um auf ihre schwierige Lage hinzuweisen und die verantwortliche Politik, insbesondere Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD), zum Handeln aufzufordern. „Was hat sich seitdem für die Apotheken geändert?“, wollten vor Kurzem der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm (CDU) und Mitglieder der CDU Oftersheim von Apotheker Dr. Tobias Ober, dem Inhaber der sich in der Mannheimer Straße befindenden Mozart-Apotheke wissen. Seine ernüchternde Antwort: „Seitdem hat sich für uns überhaupt gar nichts geändert.“

Vor Ort in der Mozart-Apotheke in Oftersheim (v.l.n.r.): Gerd Koppert, Tillmann Hettinger, Andreas Sturm MdL, Apotheker Dr. Tobias Ober, Annette Dietl-Faude, Benno Müller und Luca Wagenblast.  Vor Ort in der Mozart-Apotheke in Oftersheim (v.l.n.r.): Gerd Koppert, Tillmann Hettinger, Andreas Sturm MdL, Apotheker Dr. Tobias Ober, Annette Dietl-Faude, Benno Müller und Luca Wagenblast.

Derweil geht das Apothekensterben weiter, in den ersten neun Monaten des Jahres wurden insgesamt 335 geschlossen, Ende des dritten Quartals 2023 gab es mit bundesweit 17.733 Apotheken einen neuen historischen Tiefstand. Mitte Oktober machten daher die Vertreter der freien Heilberufe ihrem Ärger nochmals Luft und verfassten zum ersten Mal eine gemeinsame Stellungnahme, in der das steht, was auch Dr. Ober seinem politischen Besuch unter anderem mitteilte: ein überbordendes Maß an Bürokratie, Arzneimittel-Lieferengpässe, welche die Versorgung der Bevölkerung stark beeinträchtigen wie auch eine unzureichende Vergütung der Apotheken. Ober, der für 32 Mitarbeiter, die insgesamt in seinen Apotheken arbeiten, die Verantwortung trägt, sieht auch die mittelständisch geprägte Apothekenstruktur gefährdet.

"Wieso bekommt das ein Industrieland wie Deutschland nicht auf die Reihe?"

„Rund 300 Artikel, die ich jeden Tag bestellen möchte, bekomme ich nicht“, berichtet der Apotheker, „oftmals gibt es keine adäquate Alternative, da muss der Patient dann wieder zu seinem Arzt und etwas anderes verschrieben bekommen, ein Mehraufwand, der für alle Seiten mit weiteren Kosten verbunden ist. Es gibt beispielsweise spezielle Herzmedikamente, auf diese sind die Patienten einfach angewiesen, da gibt es keine andere Lösungen.“ Die Lieferengpässe hätten ganz unterschiedliche Ursachen, er habe selbst auch schon bei Herstellern nachgefragt. Ober: „Mal werden Glasfläschchen nicht gekauft, weil diese durch gestiegene Energiekosten jetzt so teuer geworden seien, mal sei die Verpackung nicht erhältlich.“

Dem CDU-Vorsitzenden Benno Müller, der kein Verständnis dafür hatte, dass „ein Industrieland wie Deutschland das nicht auf die Reihe bekomme“ und der darauf hinwies, dass manche Medikamente, die es in Deutschland nicht gebe, in Österreich sehr wohl erhältlich seien, entgegnete Ober: „In Österreich wird mehr für die Medikamente gezahlt. Damit ist klar, warum der Hersteller nicht zu uns liefert.“ Seit eineinhalb Jahren sei beispielsweise auch die Versorgung von Kindern mit Medikamenten ein Problem: „Sie werden es nicht glauben, aber wir importieren teilweise auch aus der Ukraine.“

Sturm und die Oftersheimer Christdemokraten waren sich darin einig, dass es auch nicht sein könne, dass es kaum noch Hersteller gebe, die in Deutschland oder Europa Medikamente produzieren: „Wenn aus Kostengründen beispielsweise nur noch in Indien oder China produziert wird, dann könnte es auch sein, dass man bei Streitigkeiten mit diesen Ländern irgendwann einmal gar nichts mehr bekommt.“ Gerade auch unter dem Gesichtspunkt der „Kritischen Infrastruktur“ (KritIs), zu welchen die Apotheken und auch das Apothekenpersonal gehören, und hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung sei dies eine sehr bedenkliche Entwicklung. Ober: „Wir Apotheken haben die gesetzliche Verpflichtung, unseren Wochenbedarf an Medikamenten vorrätig zu haben, was uns in manchen Bereichen gar nicht möglich ist. Und unser Großhandel muss für 14 Tage bevorratet zu sein, natürlich hat dieser die gleichen Probleme.“

Vergütung stagniert auf dem Niveau von 2004

Detailliert erläuterte Ober, dass die Personalkosten der Apotheken in den letzten zehn Jahren um rund 30 Prozent gestiegen seien: „Wir Apotheker haben große Sorgen mit Blick auf den kommenden Tarifvertrag, der 2024 kommen wird. Wenn er sich in dem Bereich bewegt, in welchem andere Branchen liegen, dann sieht es für manche Kollegen noch dunkler aus als zuvor.“

Ober weiter: „Hartnäckig hält sich auch immer noch die Meinung, dass die zu leistenden Zuzahlungen bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Höhe von mindestens fünf Euro und höchstens zehn Euro die Apotheke einnehmen. Das ist mitnichten der Fall. Diese Zuzahlungen erhalten in Gänze die Krankenkassen und nicht wir.“

Weitere Gesprächsthemen waren die Einführung des E-Rezeptes, die Zusammensetzung des Arzneimittelpreises und die Zunahme an hochpreisigen Medikamenten. Diesbezüglich sagte der Apotheker: „Es ist überhaupt nicht klar, warum ein Medikament beispielsweise 3.500.- Euro kostet. Die Hersteller sagen: Wir hatten Forschungs- und Entwicklungskosten und das ist der Preis, fertig! Hier fehlt es völlig an Transparenz.“

Grundsätzlich vermisst Ober eine Wertschätzung der Apothekenbranche gegenüber: „In der Pandemie haben wir alle Vorgaben von einem Tag auf den anderen umgesetzt und viel geleistet. Aber das hat die Politik offenbar bereits vergessen.“

"Besser um die Apotheken als um die Freigabe von Cannabis kümmern!"

Der Landtagsabgeordnete Andreas Sturm indes nicht, dies machte er in seiner Stellungnahme deutlich: „Ich verstehe überhaupt nicht, wie die Ampelkoalition die Apotheken mit ihren hochqualifizierten Mitarbeitern so im Regen stehen lassen kann. Wir brauchen die Apotheken, sie nehmen in unserem Gesundheitswesen für alle Patienten eine wichtige Rolle ein. Die Energie, die SPD-Bundesgesundheitsminister Lauterbach aufgebracht hat, um die Legalisierung von Cannabis zu erreichen, was zweifellos ein Irrweg mit fatalen Folgen sein wird, hätte er mal lieber in die Unterstützung der Apotheken investiert.“

Beindruckt zeigten sich die Christdemokraten abschließend von dem Rowa-Kommissionierautomaten, der in der Mozart-Apotheke rund 9.000 Medikamentenpackungen vollautomatisch einlagert und nach Anforderung blitzschnell ausgibt. (Text/Foto: Matthias Busse)

INFO: Vom 27. bis 29. September 2023 fand in Düsseldorf der "Deutsche Apothekertag 2023" statt, bei welchem die "Zukunft des Apothekenwesens" im Mittelpunkt stand und auf dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach via Livestream zugeschaltet wurde. Seine Aussagen bewertete die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) als "extrem unbefriedigend". Die Apotheken setzen daher bundesweit ihren Protest fort. In Baden-Württemberg wird es am 22. November ab 12 Uhr auf dem Schlossplatz in Stuttgart eine zentrale Kundgebung geben.